Hey Leute,
hatte gestern meine MR-Prüfung. Da ich oft mit Prüfungsprotokollen lerne, wollte ich mich mit diesem Beitrag bei den Leuten bedanken, die regelmäßig Protokolle erstellen und euch, die noch in der Vorbereitung stecken, unterstützen. Also hier das Protokoll:
Prüfungsatmosphäre war, wie in anderen Protokollen bereits beschrieben sehr angenehm und entspannt. Nach lockerem Smalltalk zu Beginn geht's dann zur Sache. Prüfling 1 bekommt seine erste Frage gestellt, die er samt folgenden Nachfragen spontan beantworten muss (Skizzen sind stets erlaubt und erwünscht). Hat er diese absolviert bekommt er seine 2. Frage. Die Antwort kann er dann vorbereiten während der 2. Prüfling seine erste/zweite Frage bekommt usw. Eine ganz gute Taktik ist von sich aus möglichst viel Wissen zu präsentieren ohne dass Dr. Weidele nachfragen muss. Auf diese Weise kann man zeigen, dass man den Stoff kann und die Zusammenhänge verstanden hat und läuft nicht Gefahr, dass unangenehme Nachfragen kommen.
Hier die Fragen:
1. Erklären Sie die Scheibenbremse mit innenumgriffener Scheibe.
Skizze gezeichnet, Unterschied zur außenumgriffenen Variante erklärt: r_w/R_dyn größer, C*=2*mü bleibt also gleich, größere Masse, Reibwärme geht über die Scheibe in die Felge und folglich in den Reifen -> Reifen verliert an Steifigkeit --> schlecht für Seitenstabilität; reifengefederte Masse nimmt zu, Massenträgheitsmoment nimmt zu -> schlecht für Hochgeschwindigkeitsstabilität (Pendeln), gut für das Lenkerflattern; weiterhin höhere Kosten.
2. Radführungssysteme - Kombination geschobene (vorne)/gezogene (hinten) Schwinge (Skizze). Erklären Sie das "Nicken". Wo liegt das/der Nickzentrum/-pol bei der skizzierten Konstelation? Welche folgen hat es für die Fahrdynamik? Warum findet die geschobene Schwinge heute nicht mehr so häufig Verwendung?
Skizze gezeichnet, Momentanpole des Vorder-/Hinterrads entwickelt und das Nickzentrum des gesamten Motorrads eingezeichnet. Erklärt, dass es nur einen Momentanpol für das gesamte Motorrad gibt. Das Nicken erklärt. Bedeutung für die dyn. Vorderradüberbremsung erläutert (Bremskraftgradient, Aufbau der dyn. Radlast, etc.). Weitere Erläuterungen: Geschobene/Gezogene Schwinge hat positiven Nickausgleich und besitzt auf Grund der Trennung der Vorderradführung von Feder/Dämpfer keine Klemmneigung -> gut für Seitenwagenbetrieb (siehe z.B. BMW R69 S). Achtung bei der 69er ist er sensibel. Als ich gesagt habe, dass der Nachteil der geschobenen Schwinge das große Gewicht/die große Massenträgheit ist und die R69 S entsprechend bei hohen Geschwindigkeiten gependelt hat, meinte er sagen Sie jetzt nichts falsches über dieses Motorrad, sonst kriegen Sie es mit mir persönlich zu tun (natürlich mit einem gewissen Witz und als Spaß gemeint). Nachfragen: Wie ist der positive Nickausgleich definiert? Wann ist der Nickausgleich =0? Was passiert, wenn der Nickpol über dem Schwerpunkt liegt? Warum hat BMW bei der Tele-/Duolever den 100% Nickausgleich nicht realisiert, obwohl konstruktiv möglich? Dyn. Vorderradüberbremsung - Was passiert, wenn der positive Nickausgleich 100% beträgt? -> Kein Nicken, Bremskraftgradient und Zunahme der dyn. Vorderradlast phasengleich. Die Verlagerung der dyn. Radlasten hat man ja trotz absolutem Nickausgleich trotzdem.
3. Veränderung der dyn. Radlasten - Wie sind die Einflüsse durch Auf-/Abtriebskraft, Luftwiderstandskraft, Rollreibungskraft, Beschleunigen/Bremsen, Nabenreaktionsmoment?
- Auf-/Abtriebskraft: Bei Auftrieb Abnahme, bei Abtrieb Zunahme der dyn. Radlasten. Grundsätzlich erwünscht einen leichten Abtrieb -> Zunahme von F_z, folglich mehr Haftung für Beschleunigen/Bremsen/Seitenführung. Jedoch konstruktiv schwer einzustellen, da Fahrer/seine Sitzposition mit einkalkuliert werden muss. Wichtig: Grundsätzlich können am Vorder-/Hinterrad verschiedene Verhältnisse herrschen, sodass man z.B. vorne Auftrieb und hinten Abtrieb hat.
- Luftwiderstandskraft: Abnahme der dyn. Radlast vorne/Zunahme hinten. Wichtig: Betrag der Zunahme/Abnahme ist gleich, da die Kraft senkrecht zu den Radlasten wirkt und somit zwar eine Verlagerung der Radlasten zur Folge hat, aber keine zusätzliche Kraft liefert.
- Rollreibungskraft: Hat keinen Einfluss das sie senkrecht zu den Radlasten und zusätzlich in der gleichen Ebene (Fahrbahnebene) wirkt.
- Beschleunigen/Bremsen: Beschleunigen - Zunahme hinten/Abnahme vorne, Bremsen genau umgekehrt -> Zunahme/Abnahme betragsmäßig gleich! Zum verdeutlichen der Einflüsse ist immer eine Skizze samt Kräfte-/Momentengleichgewicht (z.B. um einen der Radaufstandspunkte) hilfreich.
- Nabenreaktionsmoment - Ist dieses groß genug, führt es zum Abheben des Vorderrades (Powerwheelie). Hier muss man allerdings zwischen Statik/Dynamik unterscheiden. Steht man auf dem Hinterrad und ist quasi eingefroren, so wirkt auf das Hinterrad nur das gesamte Fahrzeuggewicht. Befindet sich allerdings das Vorderrad noch in der Bewegung nach oben, so wirkt ja eine Trägheitskraft auf den vorderen Teil des Motorrads nach unten. Diese zusätzliche Beschleunigungskraft muss dann zusätzlich zum Fahrzeuggewicht aufgebracht werden!
Die Fragen des anderen Prüflings:
4. Thema Shims - Wo finden diese Verwendung? Welche beiden Bauarten gibt es? Wie werden die beiden Shims jeweils gewechselt? Was sind die Vorteile/Nachteile der beiden Konstruktionen? Wo findet Verschleiß am Ventil statt? Wie beeinflusst dieser das Ventilspiel?
-> Verwendet für Tassenstößel (Ventilbetätigung). Oben-/untenliegender Shim. Beim untenliegenden muss die Nockenwelle zum Wechseln der Shims raus. Vorteil obenliegend: Service einfacher. Vorteil untenliegend: weniger Verschleiß am Shim, geringere translatorisch bewegte Massen -> höhere Motordrehzahl (oft für Supersportmaschinen verwendet). Verschleiß überwiegend am Ventilsitz (v.a. thermisch) -> Ventilspiel wird kleiner, muss nachgestellt werden sonst Ventil offen --> Schweißbrennereffekt.
5. Thema Bremsen - Hauptbremszylinder. Zeichnung und Erklärung zur Funktion. -> S. 80 im Skript (Abb. 3.20) Nachfragen bzgl. Schräge im Bremsflüssigkeitsbehälter (-> Kröpfung des Lenkers) und Funktion der Primärdichtung als Ventil im Falle von nicht ausreichendem Bremsdruck (Pumpen).
6. Hier bin ich mir nicht mehr ganz sicher, da ich in meiner eigenen Frage vertieft war. Aber ich glaube, es ging um die Veränderung/Verteilung der dyn. Radlasten/Normalkräfte bei Kurvenfahrt/Steilkurve samt Nachfragen.
Weitere Themen, die ich nur am Rande mitbekommen habe aus den anderen Prüfungen an dem Tag:
- Freie Massenkräfte/-momente
- Getriebe - Unterschiede PKW/Motorrad (Massenträgheit, Synchronisierung, etc.)
Keine Angst, Dr. Weidele hilft einem immer, wenn man nicht direkt drauf kommt. So findet man eigentlich am Ende immer selber zur Antwort. Ich habe kurz vor der Prüfung nochmal die Vorlesungsaufzeichnungen angeschaut (man kann ja die Abspielgeschwindigkeit erhöhen, dauert dann alles deutlich schneller). So bleibt dann doch nochmal vieles hängen. Im Skript habe ich eig. nur nachgelesen, die beste Erklärung lieferte Dr. Weidele immer in der Vorlesung (teilweise habe ich auch das Buch "Motorradtechnik" von Stoffregen zum Nachschlagen benutzt, z.B. freie Massenkräfte/-momente sind dort gut erklärt). Am Ende kam bei mir eine 1,0 raus, womit ich natürlich absolut glücklich bin!
Ich hoffe, das Protokoll kann euch bei der Vorbereitung etwas helfen und wünsche euch allen viel Erfolg bei der Prüfung!
Viele Grüße,
Micha